Blindschach-Weltrekord: „Marc hat es tatsächlich angeboten“

Ende Juni verbesserte Marc Lang auf dem Rheinland-Pfalz-Tag seinen eigenen Rekord im Blindsimultan-Schnellschach von 14 auf 15 Bretter. Der Neustädter Johannes Fell konnte als einziger dem Weltrekordhalter ein Remis abtrotzen. Wir haben mit dem Sechzehnjährigen gesprochen und zeigen seine Partie.

Grumbeerschach: Hallo Johannes! Du hast als einziger der fünfzehn Pfälzer Spieler Marc Lang ein Remis abtrotzen können. Wie bist du dazu gekommen am Weltrekordversuch teilzunehmen?

Johannes Fell: Es gab ein Rundschreiben, in dem die Pfälzer Schachspieler eingeladen wurden und da dachte ich, dass ich dort sicher gute Erfahrungen sammeln kann, die mir vielleicht auch später weiterhelfen. Da ich auch nichts verlieren konnte, hielt ich es für sinnvoll teilzunehmen und mir das ganze mal anzuschauen. Ich konnte mir das auch schwer vorstellen, wie man blind und simultan gegen fünfzehn Spieler spielen soll, die alle Schacherfahrung haben.

Hast du selbst schonmal blind gespielt – also gegen einen Gegner, nicht gegen fünfzehn?

Nein, habe ich nicht. Für mich war die Disziplin des Blindspielens völlig neu und deshalb hat es mich noch mehr interessiert, herauszufinden wie das das alles funktioniert.

Hast du versucht auf deine Partie vorzubereiten? Bist du mit einem bestimmten Matchplan in die Partie gegangen?

Nicht wirklich. Ich habe eigentlich keine Chancen gesehen überhaupt etwas zu reißen – ich wusste ja auch nicht welche Farbe ich haben werde -, deshalb bin ich ganz offen in die Partie gegangen.

Hast du dir die Rossolimo-Variante im Sizilianer extra für Marc überlegt? Wir haben im Vorfeld diskutiert, ob es sinnvoller sei eine ruhige Stellung anzustreben und viel zu tauschen oder aber total wilde und unübersichtliche Stellungen aufs Brett zu bringen.

Nein, die Variante habe ich mir nicht unbedingt für Marc überlegt. Das ist generell die Antwort, wie ich auf die Sizilianische Verteidigung reagiere. Und zum zweiten Teil der Frage: Ja, es kam mir doch sehr gelegen, dass es etwas ruhiger war. Insbesondere wegen der Zeit. Wenn die Stellung sehr brisant und gefährlich ist, braucht man einfach mehr Zeit zum Überlegen um einen sinnvollen Zug zu finden. Deshalb war eine ruhige Variante, in der ich mich doch einigermaßen auskenne, ganz gut und kam mir auch gelegen.

Deine Pfälzer Mitstreiter hatten teilweise große Zeitnotprobleme. Hattest du da auch zu kämpfen?

Es ging. Zu Beginn der Partie, als ich noch in der Theorie drin war, hatte ich überhaupt keine Zeitprobleme. Dann, als er den Läufer mit dem d-Bauern zurückgenommen hat, musste ich das erste Mal kurz überlegen. Im Laufe der Partie gab es immer mal wieder solche Stellungen. Aber Zeitprobleme, so wie es teilweise die anderen hatten, hatte ich nicht.

Du hattest für deinen eigenen Züge wenig Zeit – im Vergleich zum normalen Schnellschach musstest du aber lange auf die Antwort deines Gegners warten. Hat sich der ungewöhnliche Spielmodus auf deine eigene Spielweise ausgewirkt?

Ein wenig, ja. Wir mussten teilweise wirklich lange warten und wurden dann ein bisschen ungeduldig. Insbesondere, wenn das eigene Brett mal länger ausgelassen wurde und Marc an einem Brett mehrere Züge hintereinander machen wollte. Die Hitze hat das dann nochmal verstärkt. Ich fand, es ging noch – eigentlich kam ich ganz gut zurecht.

Die Stellung, in der ihr das Remis vereinbart habt, war ziemlich ausgeglichen. Wer hat es angeboten?

Marc hat es tatsächlich angeboten, was mich auch etwas überrascht hat. Aber ich habe es natürlich dankend angenommen.

Da musstest du nicht lange überlegen oder? Nicht, dass wir Pfälzer am Ende vielleicht mit 0-15 dagestanden wären.

Mir hat es erstmal die Sprache verschlagen und ich habe verblüfft meinen Trainer [Dirk Hirse] angeguckt, der direkt neben mir saß. Der hat mich dann aber lachend aufgefordert doch sofort das Remis anzunehmen. Ich war irgendwann wieder bei der Sache und habe es dann auch angenommen. Also, wenn man gegen einen Gegner mit 1000 DWZ-Punkten mehr spielt, dann ist es egal, ob der blindsimultan spielt. Das nimmt man natürlich an! Im Endeffekt natürlich auch schön, dass ich so das 15-0 verhindern konnte.

Vielen Dank für das Gespräch!

Johannes Fell (Mitte) nutzt die Wartezeit um die nächsten Züge zu berechnen. Bild: Klaus-Peter Thronicke

Johannes' Partie von uns analysiert:

Wir haben alle Weltrekordpartien auf Lichess zum Nachspielen online gestellt. Zwei der Partien möchten wir kommentieren. Den Anfang macht Marc Langs Remis gegen den Ehrenretter Johannes Fell. Die zweite Partie, in der er haarscharf an einer Niederlage vorbeigeschrammt ist, veröffentlichen wir nächste Woche.

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