Immer die falsche Entscheidung

Die zweite Bundesliga soll im Herbst beendet werden, der Schachbund Rheinland-Pfalz hat sich diesem Vorhaben angeschlossen. Am 12. Juli wird entschieden wie es in der Schachbundesliga weitergeht. Im Regionalverband Pfalz hat das Erweiterte Präsidium am vergangenen Wochenende den Abbruch der Saison 2019/20 beschlossen. Als Provinzfunktionär bin ich selbst an dieser Entscheidung beteiligt. Gründe für den Abbruch, was jetzt wichtig ist und warum es keine richtige gibt.

Bereits im Mai hatten die meisten Sportverbände – unter anderem der Südwestdeutsche Fußballverband – das Spieljahr 2019/20 für beendet erklärt. Der Schachsport sucht noch nach dem Sonderweg, kurz stand die Ausbreitung auf eine Saison 2019/21 zur Debatte. Nun steht der Beschluss die Saison regulär zu Ende zu spielen, auch in der Oberliga Südwest und den Rheinland-Pfalz-Ligen – wenn auch „unter Corona-Vorbehalt“. Der Schachbezirk Rhein-Nahe hat bereits im April die Saison abgebrochen, im übergeordneten Schachverband Rheinland läuft derzeit eine Umfrage, ob die ausstehenden Spieltage noch nachgeholt werden sollen. Ein Flickenteppich.

"Eine sehr intensive, sachorientierte und geordnete Debatte"

Als Bezirksspielleiter für den Bezirk I (Eisenberg/Kaiserlautern) im Pfälzischen Schachbund hatte ich auch meinen Anteil am Abbruch. Mein Pendant im Bezirk Nord-Ost Roland Schmitt hat am Abend nach der Sitzung des Erweiterten Präsidums ein Rundschreiben an seine Vereine verschickt.

Die Entscheidungsfindung war nicht leicht und im Anschluss an die „sehr intensive, sachorientierte und geordnete Debatte“, um es mit Rolands Worten zu sagen, wurde für den Saisonabbruch votiert – bei Beibehaltung der Auf- und Abstiegsregeln.

Wir haben lange diskutiert, das Für und Wider abgewogen. Aber auch aus dem Schreiben des Landesspielleiters Jan Wilk geht hervor, dass „diese [Entscheidung] auf keinen Fall für alle befriedigend ausfallen kann.“ Konkrete Gründe für den Abbruch hat das Präsidium (noch?) nicht veröffentlicht. Ich hoffe, dies wird noch nachgeholt. Transparenz führt zu Verständnis – zumindest könnte es die Akzeptanz den vermeintlichen Verlierern der Entscheidung erhöhen.

 

Der PSB informiert auf seiner Homepage über den Saisonabbruch in zwei Rundschreiben über den Abbruch

Sportlich sinnlos und praxisfern

Für mich sind zwei Fragen von entscheidender Bedeutung: Ist es sportlich sinnvoll die Saison zu Ende zu spielen? Viele Entscheidungen sind schon gefallen, die meisten Mannschaften müssten noch um die goldene Ananas antreten. Für 1. Pfalzliga und 2. Pfalzliga Ost gilt das mit Sicherheit nicht (siehe Extremfall unten), aber unabhängig davon, wann die Saison beendet werden könnte: Wir haben nicht mehr die gleichen Rahmenbedingungen wie zu Saisonbeginn. Nicht nur Mitglieder, die mittlerweile den Verein verlassen haben, sind ein Problem. In einer Liga mit 10 Mannschaften 80 Stammspielern werden nicht nur von den Vereinen völlig unterschiedliche Ansichten rückgemeldet werden, sondern auch innerhalb der Mannschaft. Einige werden sich mit der Doppelbrettlösung einverstanden erklären, andere wollen zwar spielen – aber nur ohne Mundschutz. Ich weiß von Vereinen, denen der Zugang zu ihren Spiellokalen noch verboten wird. Diese Bedingungen unter einen Hut zu bekommen, ist schlicht unmöglich, weshalb ich auch eine weitere Befragung der Vereine als nicht erfolgsversprechend ansehe. Aus meiner Sicht wäre es genauso sportlich unfair, die betreffenden Vereine zu benachteiligen, die nun keine vergleichbare Mannschaft mehr stellen können.

"Spielabend am Morgen" am kommenden Sonntag in Ludwigshafen mit Doppelbrettlösung

Frage Nummer zwei, die für mich ausschlaggebend war: Wie sähe die Fortsetzung in der Praxis aus? Am kommenden Sonntag findet in Ludwigshafen die meines Wissens erste Post-Corona-Schachveranstaltung statt. Beim „Spielabend am Morgen“ können bis zu 50 Schachspieler:innen – geschützt durch die Doppelbrettlösung – teilnehmen. Es ist löblich, dass der PSB denen, die spielen wollen, dieses Angebot macht. Diejenigen, die diese Lösung ablehnen, wären im Falle der Fortsetzung außen vor. Aber auch die Rahmenbedingungen der Vereine sind komplett unterschiedlich. Die Plexiglasscheibe wurde während der Präsidiumssitzung angepriesen – 25 Euro das Stück – zudem wäre ein mobiler Desinfektionsmittelspender für circa 150 bis 200 Euro sinnvoll. 400 Tacken für einen unwichtigen Mannschaftskampf ausgeben oder der Abbruch ist dann eine leichte Entscheidung für die Vereine. Damit nicht genug – wenn ich an das ein oder andere Spiellokal bei uns im Bezirk denke. Dort ist es so eng, dass es zu Problemen führt, wenn zwei Spieler:innen gleichzeitig vom Brett aufstehen. Dort wären Abstandsregelungen von einem halben Meter nicht anwendbar.

Auch hierfür könnten Lösungen gefunden wären, sie wären aber individuell – die Problematik ist vielfältig, auch durch die unterschiedlichen Vorgaben von öffentlicher Seite. Jede Entscheidung, ob nun Abbruch, Warten oder die Ansetzung im Herbst, bringt seine Verlierer mit sich. Gewinner gibt es so oder so keine.

Die Rückmeldungen, die ich aus den Vereinen im Bezirk erhalten habe, sind positiv. Die meisten Vereinsvorsitzenden befürworten die Entscheidung, mit ablehnenden Haltungen wurde ich bisher nicht konfrontiert. Die große Frage, die die Vereine beschäftigt ist nicht vordergründig der Spielbetrieb, sondern wie der Vereinsabend wieder stattfinden kann. Dazu am Wochenende mehr.

Der Extremfall 1. Pfalzliga

Ein Argument für den Abbruch ist die sportliche Irrelevanz für viele Mannschaften, sind einige Ligen doch schon komplett entschieden. Die Teams hätten sich unter normalen Umständen zum Saisonausklang getroffen, ein paar Kurzremisen vereinbart und sich auf die Bierbestände des Ausrichters gestürzt.

Doch genug Teams hätten am letzten Spieltag noch wichtige Punkte für den Aufstieg oder gegen den Abstieg sammeln können. Unserer TSG Eisenberg bleibt auch die Chance verwehrt noch für den Klassenerhalt zu punkten, aber wir haben uns selbst in die Lage gebracht und werden in die Bezirksliga absteigen.

Die Tabelle der 1. Pfalzliga nach dem Abbruch

In der 1. Pfalzliga stellt sich die Lage nun etwas heikler dar: Punktgleich und nur von einem Brettpunkt getrennt stehen der SC Niederkirchen und der SC Niedermohr-Hütchenhausen an der Tabellenspitze. Das direkte Duell der beiden endete 4-4-Unentschieden und – um es auf die Spitze zu treiben – am letzten Spieltag spielte der Verfolger gegen den abgeschlagenen Tabellenletzten und Niederkirchen träfe auf den Sechsten aus Pirmasens.

Ein Meistertitel, über den sich Niederkirchen nicht wirklich freuen kann. Dass sich der nun Vize-Meister über die Entscheidung ärgert, ist nachzuvollziehen. Eine sportlich faire Lösung hätte aber kein Szenario gebracht.

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