Bekloppt, aber großartig: Upside Down Chess

Der Versuch die Vereinskollegen zum Mitspielen zu motivieren, scheiterte krachend. Die Frage „Was hat das mit Schach zu tun?“ konnte ich nur wenig befriedigend mit „Egal!“ beantworten. Musste ich eben alleine spielen – die Aussicht auf etwas total Beklopptes plus die Chance mit Weiß gar einen größeren Skalp einzufahren war doch interessant genug. Also ein paar Züge Eröffnungstheorie geballert – konkret: Sg8-h6-f5-d3#; Verteidigungen kann man am Brett finden.

Wer mit Schwarz den falschen Springer zieht, ist Matt in 2

Die Startaufstellung ist gespiegelt (punkt-, nicht achsen-! Grüße!). Bauern ziehen entsprechend direkt ein und auf e3 und c3 droht ein weißer Springer direkt Matt. Weshalb die Maschine 1.Sh6 direkt mit +9 für Weiß angibt. Gegen justonefix startete ich mit dem falschen Springer und war nach 2.Sh6-g4 erledigt.

Dennoch ist es interessant, dass nur 54% der Partien auch tatsächlich von Weiß gewonnen wurden.

Es bewegt sich nix!

Doch von vorne, erste Partie und ich klicke wild auf dem weißen Springer herum, später auf allen weißen Figuren. Es tut sich nichts, die Zeit läuft ab, verloren. Was da los? Die zweite Partie läuft dann normal – normal heißt so viel wie: Ich kann meine Figuren bewegen und gewinne mit Schwarz (!), obwohl mein Gegner ein Matt in 1 übersieht. Ich stelle überrascht fest: Die erste Partie war doch gewonnen – mein Gegner hatte Weiß und war wohl nicht anwesend. Ich klickte fröhlich auf seinen Figuren herum, was stehen die auch auf der falschen Seite! Im Chat beschweren sich auch im Laufe des Turniers immer wieder Spieler:innen, dass sie ihre Figuren nicht bewegen können. Es blieb nicht bei dem einen Denkfehler.

Upside-down-Denken

Es dauert dann auch nicht lange bis zum ersten Titelträger und meine Weiß-Strategie zwingt ihn tatsächlich in die Knie und ich bin euphorisiert wie wenn ich Carlsen mit König plus Dame gegen König matt gesetzt habe. So einfach ist es aber dann doch nicht.

Mein Zug 14...Tf7-f8+? führte wider Erwarten nicht zu Grundreihenmatt (TheCrucial - grumbeerschach)

Siege mit Schwarz schmecken besonders gut und ich fange an, komplett anders zu zählen: Wer hat mehr (potentielle) Damen? Ein Leichtfigurenopfer gegen zwei Bauern ist ein Traum. Gleichzeitig bekomme ich aber bestimmte Denkmuster erst spät (Figuren auf der dritten oder sechsten Reihe werden nicht durch Bauern gedeckt) oder gar nicht (Bauern beschützen die Grundreihe – ein Grundreihenmatt existiert nicht) in den Griff. Wer auf lange Sicht die Rochade plant, wird von den Regeln ausgebremst – hätte ich selbst drauf kommen können. Stichwort lange Sicht: Nur ein Viertel meiner Partien dauerten 20 Züge oder länger; fast die Hälfte waren nach höchstens zwölf Zügen vorbei.

Opfern auf c2 oder c7

grumbeerschach - Solal35 nach 9.Dg8xg2?

Das Opfer auf c7 ist sehr interessant, um ähnlich wie im Tandem den König herauszulocken. Frisst außerdem noch eine potentielle Dame. Das Matt auf e6 ist eine zusätzliche versteckte Pointe. Zumindest für meinen Gegner und mich..

carlson85 - grumbeerschach nach 11...h1-h2D

Eine weitere Idee ist das Opfer auf c2 und direktes Nachladen: 12.Dc6xc2 Kd1xc2 13.c7-c8D+ und der schwarze König wird entweder mit La6-d3# oder Db8-b3# matt.

grumbeerschach - dzejms22 nach 7...f2-f1D

Weiß kann wegen der Schwäche auf c2 forciert in drei Zügen matt setzen:

8.Df5xc2+ Kd1xc2 9.Dd5-c4+

Und es entscheidet das gleiche Motiv wie eben.

Anish Giri bekam das Opfer auch zu schmecken, in der Lichess-Studie von Tasshaq finden sich weitere interessante und kommentierte Partien.

Screenshot lichess.org

Am Ende Platz 23, nur zwanzig Punkte hinter Anish Giri – bei über 2000 Teilnehmern. Bekloppt, aber schon großartig!

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